Governance im Zeitalter der Agents neu denken

Chad Kwiwon Covin

Ein Vertriebsteam in deinem Unternehmen bringt über das Wochenende eigenständig einen KI-Agenten in die Produktion. Drei Tage später sendet dieser Agent sensible Kundendaten an eine externe API. Eine Aufsichtsbehörde fragt, wer den Einsatz genehmigt hat. Plötzlich stehst du vor zwei Optionen: Alle neuen Ideen stoppen und Innovationen einfrieren oder unbekannte Risiken in Kauf nehmen und hoffen, dass es nie Schlagzeilen macht.

Doch es gibt einen besseren dritten Weg: Weitsichtige IT-Führungskräfte verstehen Governance nicht als Bremse, sondern als Beschleuniger. Indem sie das Thema Kontrolle bei autonomen Systemen neu denken, senken sie operative Risiken und erhöhen die Geschwindigkeit der Umsetzung. Der richtige Ansatz bremst Teams nicht aus, er macht sie schneller, sicherer und selbstbewusster. Wie das gelingt? So machen es Vorreiter und du kannst es auch.

Warum traditionelle Governance bei Agenten versagt

Klassische KI-Governance funktioniert wie eine Sicherheitsschleuse: Es gelten statische Regeln, verdächtige Aktivitäten werden markiert, und alle Entscheidungen werden für spätere Audits dokumentiert. Dieses Vorgehen funktioniert, wenn Systeme vorhersehbar sind und sich selten ändern. Autonome Agenten jedoch bringen diese Logik in gleich drei zentralen Punkten an ihre Grenzen:

Geschwindigkeit: Agenten treffen Entscheidungen und handeln innerhalb von Sekunden. Eine vierteljährliche Compliance-Prüfung kann Probleme nicht erkennen, die sich in Echtzeit entwickeln und verstärken.
Wenn der zuständige Ausschuss tagt, hat das System möglicherweise schon Dutzende Handlungen vorgenommen, die sich nicht mehr ohne Weiteres zurückdrehen lassen.

Autonomie: Agenten übersetzen Zielvorgaben in konkrete Schritte, auch ohne, dass du sie explizit programmiert hast. Wenn deine Kontrollmechanismen nur auf starren Regeln basieren, kannst du nicht jede mögliche Verzweigung, jeden Sonderfall oder jede Tool-Kombination vorhersehen, die ein Agent nutzen könnte.

Wechselseitige Abhängigkeiten: In Multi-Agent-Workflows wird der Output eines Agenten zum Input für den nächsten.

Eine kleine Abweichung am Anfang kann sich durch die gesamte Kette ziehen, Risiken und Kosten verstärken, ohne dass es jemand frühzeitig bemerkt.


Businessman Working with AI Governance That Drives Business Performance

Wo steht Ihre Organisation? 5 Dimensionen, die über den Erfolg entscheiden

Bevor Sie Ihre Governance-Strategie für KI-Agenten neu aufsetzen, sollten Sie den aktuellen Reifegrad Ihrer Organisation analysieren. Die folgenden Fragen helfen, zentrale Lücken sichtbar zu machen, Lücken, die Governance daran hindern, zum echten Leistungs-Booster zu werden:

  1. Rahmenverständnis:
    Versteht das Team, dass die Governance autonomer KI grundlegend anders ist als klassische Modellkontrolle?
    Können Architekt:innen, Sicherheitsteams und Business-Verantwortliche agentenspezifische Risiken wie Tool-Nutzung, Zielabweichung oder Prompt Injection in einer gemeinsamen Sprache beschreiben?
  2. Führung & Ausrichtung:
    Gibt es Executive Buy-in für Governance als Leistungsbeschleuniger, nicht nur als reine Compliance-Pflicht?
    Wer trägt die Verantwortung für die geschäftlichen Auswirkungen von Governance-Reibung (P&L)?
    Und ist es ein erklärtes Ziel, diese Reibung aktiv zu verringern?
  3. Zuständigkeiten:
    Gibt es klar definierte RACI-Tabellen für Agentengenehmigungen, Zugriffsrechte, Incident Response und Notabschaltung (Kill Switch)?
    Wenn ein Agent unerwartet handelt,weiß jede:r Beteiligte, was zu tun ist und wie eskaliert wird?
  4. AI-Governance-Prozesse:
    Sind Richtlinien aus PDF-Dokumenten in automatisierte Workflows überführt worden?
    Können Agenten sich selbst regelkonform zertifizieren, ohne in manuellen Prüfprozessen steckenzubleiben?
  5. Technische Grundlagen:
    Kann Ihre Infrastruktur minimal notwendige Zugriffsrechte (Least Privilege) vergeben, jede Entscheidung in Echtzeit nachvollziehen und problematische Agenten sofort isolieren?

Sobald Sie diese Lücken erkannt haben, wird der nächste Schritt klar. Leistungsstarke Organisationen folgen einer klaren Reihenfolge: Zuerst organisatorisch ausrichten, dann technologisch modernisieren. Denn: Nur wenn Prozesse und Verantwortlichkeiten klar sind, kann Technologie das Verhalten im Unternehmen nachhaltig verändern.

Klein anfangen, groß denken

Ihre aktuelle Reifegrad-Stufe bestimmt den besten Einstiegspunkt:

1. Frühphase (Nascent):
Beginnen Sie mit Transparenz. Erstellen Sie ein Inventar aller Agenten, die Produktionssysteme berühren. Leiten Sie Entscheidungsprotokolle und Tool-Calls in einen zentralen Time-Series-Store. Installieren Sie einfache Kosten- und Latenzalarme, die bei Abweichungen vom Normalverhalten auslösen. Ziel ist kontinuierliche Beobachtbarkeit, nicht Perfektion.

2. Entwicklung (Developing):
Ergänzen Sie identitätsbewusste Proxies rund um Agenten mit hohem Risiko. Implementieren Sie Kill-Switches, die fehlerhafte Prozesse in weniger als 30 Sekunden isolieren können. Behandeln Sie Governance-Daten als Performance-Daten.

3. Systematisiert (Systematic):
Hinterlegen Sie Geschäftslogik als Policy-as-Code. Beispiel: Ein Agent darf Rückerstattungen bis 1.000 € automatisch genehmigen; darüber hinaus wird ein manueller Review ausgelöst. Formulieren Sie Autonomiegrenzen als Konfiguration, nicht als Hard-Coded-Logik – so können Änderungen sofort und konsistent übernommen werden.

4. Optimiert (Optimizing):
Verknüpfen Sie Governance-Metriken mit Business-KPIs. Beispiel: Antwortzeiten von Agenten, Kosten pro Entscheidung, Kundenzufriedenheit und Richtlinieneinhaltung auf einem gemeinsamen Dashboard.

5. Führend (Leading):
Nutzen Sie Governance-Daten als Wettbewerbsvorteil. Analysieren Sie Agent-Traces, um neue Umsatzchancen zu erkennen, Ressourceneinsatz zu optimieren und Nachfrageverschiebungen früher als die Konkurrenz vorherzusehen.

Tipp zum Einstieg:
Wählen Sie einen geschäftskritischen Workflow, z. B. Rechnungsabgleich, Supply Planning oder Kunden-Onboarding und statten Sie ihn mit Governance-fähiger Autonomie aus:
LLM-Routing, Datenschutz- und Budgetkontrollen, sowie volle Rückverfolgbarkeit inklusive.

In zwei Wochen wissen Sie, wo Autonomie Mehrwert schafft, wo sie schadet und wie Governance beides in Richtung Sicherheit und Performance lenkt. Die Lektion ist über Branchen hinweg dieselbe:
Wenn Governance eingebettet und beobachtbar ist, handeln Teams schneller, mit weniger Risiko.
Denn die Feedback-Schleifen sind kurz, und Entscheidungen nachvollziehbar.

Governance, die Innovation fördert

Bei Dataiku haben wir mit Hunderten von Unternehmen zusammengearbeitet, um Governance-Frameworks zu implementieren, die KI-Initiativen beschleunigen statt einschränken. Daraus haben sich vier technische Kernkompetenzen herauskristallisiert, mit denen Governance nicht als Overhead, sondern als Wettbewerbsvorteil funktioniert. So setzen führende Unternehmen diese Elemente um

1. Automatisierte Zugriffskontrolle

Steuern Sie präzise, wer oder was auf welche Daten zugreifen darf, anstatt sich auf globale Netzwerkrichtlinien zu verlassen. Dataiku Guard Services blockiert automatisch unautorisierte Anfragen, bevor sie sensible Systeme erreichen, und benachrichtigt Admins sofort bei Verstößen. Das ermöglicht Echtzeitschutz mit vollständiger Audit-Transparenz, Notfall-Meetings entfallen, Compliance bleibt gewahrt.

2. Echtzeit-Observability

Jeder Prompt, jeder Tool-Call, jeder Antwort-Token und jede Kostenmetrik wird in geteilte Dashboards gestreamt, für Governance- und Performance-Teams zugleich. Mit dem Dataiku Trace Explorer können Sie Wochen an Agentenentscheidungen in Minuten nachverfolgen, Abweichungen analysieren, Fehlerquellen identifizieren und Optimierungspotenziale sofort erkennen.

3. Adaptive Performance-Grenzen

Feste Regeln greifen nicht bei sich dynamisch verändernder Agentenleistung. Statt starrer Limits nutzen Unternehmen intelligente Schwellenwerte, die sich anpassen. Beispiel: Sinkt die Genauigkeit eines Agenten unter 85 %, erkennt das ein Dataiku Scenario automatisch und passt Prompts & Instruktionen an. So unterstützt Governance aktiv die Leistungsverbesserung, statt sie zu behindern.

4. Einheitliche Orchestrierung

Fragmentierte Tools schaffen Blind Spots und verlangsamen die Incident Response. Punktlösungen regeln oft nur, was innerhalb ihres eigenen Rahmens liegt. Dataiku ermöglicht übergreifende Governance, auch über Dataiku hinaus. Mit Unified Monitoring und Dataiku Govern erhalten Sie Governance „aus einem Guss“ – keine Tool-Wechsel, kein Reibungsverlust.

Der Performance-Multiplikator

Wenn Governance nicht nur einschränkt, sondern optimiert, steigen die Vorteile exponentiell:

  • Schnellere Iteration: Teams können neue Agenten sicher testen – mit Guardrails, die Risiken minimieren, ohne Tempo zu verlieren.

  • Bessere operative Insights: Überwachte Agenten liefern Kosten-, Latenz- und Qualitätsdaten, die manuell kaum sichtbar wären.

  • Höheres Umsetzungstempo: Unternehmen setzen neue AI-Workflows Monate vor der Konkurrenz um, die in Compliance-Schleifen feststeckt.

Die niederländische Versicherung OHRA etablierte ein Governance-Framework, mit dem sie Dataprojekte 6× schneller live brachte, bei gleichzeitig fairer Kundenbehandlung.
Im Schadenprozess stieg die Automatisierung von 40 % auf 80 %, und die meisten Kunden erhalten ihre Erstattung innerhalb eines Tages. Governance wurde hier zur Basis von Performance, nicht zum Hindernis.

Wenn Mindset und technische Grundlagen stimmen, sollte Ihre Governance-Strategie zu Ihrem Reifegrad passen, nicht zu einem generischen Zeitplan.
Ziel ist: Bewegung schaffen und beweisen, dass Governance im Live-Betrieb Ergebnisse beschleunigt.

Governance, neu gedacht

Es geht nicht um Innovation oder Compliance. Sondern um die Wahl zwischen langsamen, intransparenten Prozessen und schnellen, nachvollziehbaren Workflows. Behandle Governance wie ein Performance-System: Identitätszentrierte Kontrollen, um falsche Aktionen zu verhindern, Echtzeit-Traces, um richtige Entscheidungen nachvollziehen zu können, Adaptive Richtlinien, die mit neuen Entdeckungen Schritt halten, Zentrale Orchestrierung, die operative Komplexität reduziert. So lassen sich mutige Innovationen umsetzen, ohne das Unternehmen zu gefährden.